1. Brief Juli 2009

Vorab: Herta Freundlich, das ist nicht K nicht S und gar schon überhaupt nicht FPÖ, auch nicht Schwarz, Grün oder Orange. Herta Freundlich aber dankt dem Herrn Franz und den Seinen für
die Bereitstellung einer Seite hier und zollt dem gelebten Umgang mit freier Meinungsveräußerung aufrichtigen Respekt.

 

Liebe Mürzer und -innen!
Wenn ich durch Mürzzuschlag gehe, hör‘ ich immer wieder Leute sagen, hier, in diesem Mürz, da ist nichts los, was ich persönlich nicht verstehe. Mürz, das sei wie ein taubstummer Totenchor, ein Gutschein auf narkosefreies Wurzelziehen, ein Eigentor.

Ob dieser regional-fatalen Heimatschollenbitternisverblendung
sieht der Mürzer vor lauter Bier sein Krügerl nicht, hat er sich Scheuklappen aufgesetzt, die ihm den Blick verengen, denn nur so ist zu erklären, dass er übersieht: in Mürzzuschlag, da ist immer etwas los, allein, es wird verkannt!
Mürzzuschlag, das ist in Wahrheit Innovation: Sanfter Tourismus, das war gestern, Mürzzuschlag setzt dagegen längst schon auf sanfte Beisl-Szenerie, Andacht, Stille und Besinnlichkeit
statt überfüllte Trinkerhallen, meditative Einzelsitzungen bis zur Erleuchtung der Zwölf-Krügerl-Stufe, das ist das Konzept der Zukunft und in Mürz längst schon gelebte Tradition.
Auch von außerhalb wird Mürzzuschlag in wahren Scharen zugewandert, allein die festlichen Veranstaltungen der Jünger des Johannes, im Volksmund böse „brahmsophil“ genannt, ziehen ganze Praterstadien aus dem Urbanen in unsere schöne Gebirgsverödung,
Menschen wie aus einer neuen Welt. Leider, leider aber bleibt von denen selten einer hier, eher möchte man vermeinen, manche nehmen bei ihrer Heimreise noch einen Mürzer mit, weil die ja immer weniger werden.

Und irgendwo müssen die ja hin, Lebendsouvenirs sozusagen, pflegeleicht und billig im Erhalt, wenn man sie erst einmal an Ottakringer gewöhnt hat, das an sich grausig ist und von hiesigen Mürzern nur verwendet wird um beim Schwarzfischen Forellen betrunken zu machen oder in seichten Gewässern gleich mit den Dosen nach ihnen zu werfen.
Auch einen Stadtplatz, einen prächtigen, hat Mürzzuschlag jetzt, mit einer Basisausstattung Lego kann man sich den für zu Hause sogar ganz einfach duplozieren. Auch das ist Teilkonzept. Volksverhöhnung mittels übergescheiter Architektur, das ist in Mürz verpönt, hier wird so gebaut, als hätte jeder da und dort ein bisserl mitgemacht.
Da passen Veranstaltungen mit solchen Kapazundern wie dem singenden Winnteou und Träger des seeadlerknochengeschnitzten Verdienstkreuzes für konsequent gelebte Dauerpeinlichkeit, Waterloo, wie maßgeschneidert auf das Stadtplatzpflaster.
In Mürzzuschlag, da kennt man auch keinen Generationskonflikt, denn hier ist alles eine Generation, selbst das Jugendzentrum plant schon Pensionistenturnen anstatt Punkkonzert. Die Jugend selbst, verhält sich angepasst, auch wenn sie alle fünf beisammen
sind, keine Spur von Revoluzzertum, öffentlich wird zum Brauchtum der Väter sich bekannt und gebürschtelt wie am Würschtelstand.
Man sieht also, in Mürzzuschlag, da arbeiten für Mürz und für die Mürzer nur die besten Köpfe nur. Und dass die in einem Schädeltutschturnier ermittelt wurden, das ist ein Gerücht, ein böses.
Und trotzdem wird all dies wenig nur gedankt, vieles schlicht verkannt. Um diesem Umstand abzuhelfen, erlaubt Herta Freundlich sich bescheiden, hier drei ergänzende Marketingaktionen vorzuschlagen:

Sommerfrische für Prominente

In Mürz werden Prominente zur Religion erhoben, ein paar Tage hier auf Kunstklausur, schon bekommen sie Büsten in die Welt gestellt und Museen anbenannt. Bald schon wäre Mürzzuschlag das Monte Carlo des oberen Mürztales. Auch ein Franzobel hat hier schon verweilt, ein Buch verfasst sogar, das hier in Mürzzuschlag spielt und handelt – als erstes Zeichen bin ich also zumindest für einen Franzobel-Gedächtnis- Kegelsportverein und für die Kreation einer eigenen „Nedims Franzobel-Pizza“ mit Buchstabensuppenbuchstaben
und scharfen Pfefferoni als Belag.

18. Januar 2020

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