Kleine Zeitung vom 23.03.2005

Revoluzzen liegt ihnen im Blut

Die Kommunisten in der Obersteiermark. Ihre Wurzeln, ihr
Politikverständnis, ihre Zukunft: Was verschafft den Dunkelroten wieder Aufwind in der Grünen Mark? Der Versuch einer Annäherung.

JOSEF FRÖHLICH

Seit gut einer Woche ist das obersteirische Industriegebiet politisch noch röter gefärbt als gewohnt. Sozialdemokraten? Daran hat sich der Ober-steirer gewöhnt. Die regieren seit Jahrzehnten in den Städten. Aber Kommunisten? Warum sind die urplötzlich wieder da? Mit mehr als zehn Prozent der Stimmen und drei Mandaten drittstärkste Kraft in Leoben. Einem guten Zehntel der Stimmen auch in Trofaiach – der einzigen Gemeinde Österreichs, in der die KPÖ nun zweitstärkste Kraft ist. Mürzzuschlag, Knittelfeld, Zeltweg, Fohnsdorf, Judenburg, Eisenerz sowieso. Überall sitzen die Dunkelroten in den Gemeinderäten, teils kräftig gestärkt.

Versuchen wir, uns diesem Phänomen anzunähern:

Klar, im Fahrwasser von Genosse 20 Prozent, dem Grazer Stadtrat Ernest Kaltenegger, lässt sich’s leicht gewinnen. Das wäre so eine Annäherung. Sie greift aber zu kurz.

Unbequem

Die Erfolge der KPÖ haben tiefere Wurzeln. Ob Werner Murgg in Leoben, Karl Fluch in Eisenerz, Gabriele Leitenbauer in Trofaiach, Renate Pacher in Knittelfeld, Franz Rosenblattl in Mürzzuschlag – wie die obersteirischen Kommunisten (auch Kaltenegger ist gebürtiger Obersteirer) immer heißen: Sie sind den Regierenden unbequem. Fallen nicht durch Wadlbeißerei oder Polemik in den Gemeinderäten auf, versuchen sachlich zu wirken, die Ideologie jedoch niemals vergessend.

Sie tragen ihre Argumente mit Hilfe von Parteiblättern unters Volk, die nicht marktschreierisch gehalten sind, sondern nüchtern informativ. Und die Beachtung finden: „Die Knittelfelder KPÖ-Nachrichten waren schon immer das einzige Parteiblatt, in dem die Wahrheit gestanden ist“, kommentiert ein hoher SPÖ-Funktionär, der einst selbst kommunistisch gewählt hat. „Damals, 1975, haben alle aus meiner sozialdemokratischen Verwandtschaft die KPÖ gewählt – aus Protest gegen den damaligen Bürgermeister, der einen Dämpfer bekommen sollte.“
Der Protest. Immer schon ein wichtiger Faktor für die KPÖ. Angeblich gab’s diesmal sogar die eine oder andere Stimme aus dem bürgerlichen Lager – auf Bekenner sind wir bisher allerdings nicht gestoßen.

Es braucht einen weiteren Sprung zurück in die Geschichte als bis 1975 und einen Blick auf den Menschenschlag, um das Phänomen KPÖ in der Obersteiermark zu begreifen. Beispiel Zwischenkriegszeit, Arbeiteraufstand 1934. Der Historiker Karl Stocker berichtet von der Aktion einiger Eisenbahner aus Knittelfeld. „Sie sind nach dem gescheiterten Aufstand zu einem gewissen Dr. Krank nach Graz gefahren, um sich sterilisieren zu lassen. Mit der Begründung, sie wollten für einen Arbeitermörder-Staat keine Kinder zeugen.“

Widerstand

Den Widerstand im Zweiten Weltkrieg organisierten Kommunisten unter Einsatz ihres Lebens zu einem guten Teil von der Mur-Mürz-Furche aus. Und der einstige KP-Chef Johann Koplenig, einziger KPÖ-Staatssekretär (1945), später Nationalratsabgeordneter, fädelte schon während seiner Schuhmacher-Lehre in Judenburg einen Streik ein. 1921 gründete er die KPÖ-Ortsgruppe in Knittelfeld.

Vielleicht ist es die Angst vieler Wähler vor dem Superkapitalismus, der den roten Wurzeln wieder Nährstoff gibt. Vielleicht der Protest gegen alles Schlechte im Staat; vielleicht ist es auch einfach nur schick, wieder ein bisschen zu revoluzzen statt nur zu konsumieren. Motivforscher ans Werk, bitteschön!

Für alle, die nach der Gemeinderatswahl schon die rote Gefahr wittern und sich vor der Landtagswahl fürchten, hier noch eine Beruhigungspille: 607.000 Menschen haben am 13. März in der Steiermark gewählt – exakt 4610 davon die KPÖ.

Veröffentlicht: 8. April 2012